Schreiben der Initiative „stadeunteilbar“ als Antwort auf den offenen Brief von Silke Ochmann für die SPD Hansestadt Stade:
Sehr geehrte Frau Ochmann, sehr geehrte Mitglieder des Vorstandes der SPD Stade,
durch Zufall erfuhren wir von Ihrem öffentlichen Brief in Ihrem Informationsblatt, in dem Sie unserem Initiativkreis „stadeunteilbar“ einige Fragen stellten.
Sehr gerne möchten wir auf Ihre Fragen eingehen. Unsere Versuche, uns mit den „Omas gegen rechts“ zu verständigen, indem wir dort Texte an Frau Glaser und Frau Meyer gesandt hatten und um ein Gespräch baten, haben leider zu keiner Reaktion und Austausch geführt. Ebenso haben wir unser Konzept bei „Stade im Wandel“ eingereicht und schriftlich mit Herrn Rackow ausführlich kommuniziert. Deshalb freuen wir uns über Ihre freundliche Aufforderung, die uns sicher sein lässt, dass unsere Gedanken auch wahrgenommen werden.
Bevor wir auf unser Anliegen zu sprechen kommen, möchten wir uns abgrenzen von allen Gruppierungen, die ähnlich klingen oder in einen Zusammenhang gebracht werden könnten. Weder zu Pegida noch zu Querdenkerkreisen (wer auch immer das ist) haben wir eine Verbindung, noch fühlen wir uns einer solchen Gruppierung mit unserem Anliegen verwandt. Auch wenn das Wort unteilbar im bundesweiten Aktionsbündnis vorkommt, so hat es mit dem Begriff „stadeunteilbar“ nichts zu tun.
Bei den Abschlussgedanken nach dem vergangenen Rundgang hat gerade ein Mitglied unserer Gruppe die Wertschätzung gegenüber unserer bestehenden Demokratie betont. Dass wir die Bedingungen, die dabei den Demonstrationen oder Rundgängen auferlegt werden, einhalten, gehört als Verpflichtung dazu. Deshalb achten wir darauf, dass die vorgegebenen Regeln auch umgesetzt und eingehalten werden. Also der Geist der Demokratie und die damit verbundenen zwischenmenschlichen Regelungen, die hier über Generationen entwickelt wurden, sind uns ein hohes zu schützendes Gut, das in seinem Ideal natürlich einer ständigen Entwicklung unterworfen ist. Wenn Sie, sehr geehrte Frau Ochmann sagen, dass Sie keine bessere Staatsform als die Demokratie kennen, können wir Ihnen in vollem Umfange zustimmen, auch wenn wir wie Sie die Schwächen in der Wirklichkeit neben den angestrebten Idealen sehen können.
In unserem Initiativkreis sind Pädagogen, Naturwissenschaftler, Historiker, Künstler und Therapeuten vertreten. Durch unsere Tätigkeiten haben wir einen realistischen, aber auch idealistischen Blick auf unsere Gesellschaft.
Was uns zusammengeführt hat, war die reale Notlage, die durch die Spaltung entstanden war und die wir in Freundeskreisen, der eigenen Familie und im sozialen Leben unserer Gesellschaft erlebten.
Wir bemerkten, dass die Corona-Thematik uns darauf aufmerksam macht, dass wir Menschen es nicht leicht haben, andere Meinungen, die sich von unseren Meinungen unterscheiden oder gar diametral gegenüberstehen, mit Respekt zu behandeln.
Aus diesem Eindruck folgte für uns der Impuls, gerade diese Herausforderung und Aufgabe des respektvollen Umgangs in dieser Corona-Krise aufzugreifen, indem wir einen friedlichen Rundgang für alle Stader Bürger, seien sie geimpft oder nicht geimpft, anbieten.
Die Kommunikation unterschiedlicher Standpunkte und Einsichten in Menschengemeinschaften ermöglicht eine lebendige Entwicklung und ein umfassenderes Verstehen. Am Du wird man aufmerksam auf das eigene Ich. Ist eine Gesellschaft stark und gesund, muss sie keine Sorge vor anderen Meinungen haben. Das kann jeder Mensch in sich selbst oder in der eigenen Familie erleben.
Allzu schnell wird die von der eigenen oder allgemeinen Meinung abweichende Meinung durch schmälernde Begriffe abgewertet, dazu gehört neben Aussagen wie „Pandemie der Ungeimpften“ auch zum Beispiel der Begriff der „Impfdiktatur“. Deshalb können wir uns auch nicht hinter einen solchen (Kampf-)Begriff stellen.
Sicher hat jede und jeder der TeilnehmerInnen seine/ ihre eigene Haltung gegenüber den verschiedenen belastenden Themen, die durch „Corona“ für uns alle spürbar geworden sind, aber das ist nicht das Anliegen unseres Rundgangs. Uns verbindet das übergeordnete Prinzip des Respekts.
Mit freundlichen Grüßen
Der Initiativkreis „stadeunteilbar“
Es bleiben Fragen offen – Unsere Antwort auf das Schreiben:
Sehr geehrter Herr Roth,
über Ihre Rückmeldung freuen wir uns, so kommen wir in einen Dialog und darum geht es ja. Besonders freuen uns die Abgrenzungen, die Sie vornehmen. Dennoch bleiben einige Fragen.
Welchem Verhalten gebührt Respekt – welches Verhalten muss man hinnehmen, ohne es für gut zu heißen? Welches Verhalten zeugt von Solidarität, welches sollte nicht mit Solidarität bestärkt werden?
Für mich senden Geimpfte ein Signal aus: sie handeln nicht nur zum eigenen Wohl, sondern auch zum Wohle aller, damit die Pandemie mit all ihren schlimmen Folgen so schnell wie möglich zuende geht. Menschen, die sich in dieser Weise für das Gemeinwohl einsetzen, zolle ich Respekt, weil er ihnen gebührt, diese Leute verhalten sich solidarisch.
Nicht solidarisch verhalten sich in meinen Augen jene, die nur auf sich schauen und sich selbst für wichtiger halten als alle anderen. Auch solches Verhalten sendet ein Signal aus. Das muss ich als Demokratin zwar hinnehmen, aber ich muss dem keinen Respekt zollen. Und auch Solidarität mit egoistischen Standpunkten finde ich fehl am Platze. Finden Sie, in dieser weltweit schwierigen Situation hat jede:r das Recht, erstmal nur an sich zu denken? Wie gehen Sie auf die Ungeimpften in Ihrem Kreise zu, regen Sie sie zum Überdenken ihrer Entscheidung an?
Und zu dem anderen Thema: ihre Spaziergänge werden kräftig beworben und gefeiert von Gruppierungen, von denen Sie sich in Ihrem Schreiben abgrenzen. Stört Sie das? Wehren Sie sich dagegen?
Mit freundlichen Grüßen
Silke Ochmann (für die Stader SPD)
Hier geht es zum offenen Brief, auf den die Initiative „stadeunteilbar“ reagiert hat: