Nach derzeitigem Sachstand steht zu erwarten, dass der Landkreis ab 1. Januar 2022 alleiniger Besitzer (Träger, Gesellschafter) der Elbe Kliniken Stade-Buxtehude sein wird. Das ist Ergebnis eines Kreistagsbeschlusses, welcher der Hansestadt Stade anbietet, ihre 50%-Anteile zu übernehmen. Dabei werden die Kliniken weiterhin in kompletter öffentlicher Trägerschaft bleiben. Alle politisch Beteiligten bekennen sich zudem ausdrücklich als Gegner von jeglichen Privatisierungsbestrebungen.
Handlungsbedarf
20 Jahre nach Fusion des ehemaligen Städtischen Krankenhaus Stade mit dem ehemaligen Kreiskrankenhaus Buxtehude zeigt sich, dass in den nächsten Jahren erhebliche Zuschussmittel gebraucht werden, welche erstmals von den Besitzern (Trägern) aufgebracht werden müssten.
Auslöser sind umfangreiche Neubaupläne am Standort Stade, die in den nächsten Jahren Zuschüsse von rund 36 Millionen Euro benötigen. Während alle bisherigen Maßnahmen, insbesondere am Standort Buxtehude, bislang ohne Trägerzuschüsse auskamen, endet diese Ära nun.
Die Grundproblematik der Krankenhausfinanzierung
Gesetzlich sind die Bundesländer verpflichtet, Krankenhausstrukturen zu erhalten und zu finanzieren. Die Leistungen der Krankenhäuser werden hingegen von den Krankenkassen vergütet. Das ist in Deutschland als duale Krankenhausfinanzierung bekannt.
Jedoch haben sich alle Bundesländer seit Jahrzehnten wenig daran gehalten und die entsprechenden Finanzmittel in viel zu geringen Größenordnungen bereitgestellt. Daher werden Anträge regelmäßig nur genehmigt, wenn Kliniken eine gewisse Eigenbeteiligung zur Verfügung stellen. Da haben sich rund 20% eingespielt. Weigert sich eine Klinik, wird dem Antrag – wenn überhaupt – nur in ganz ferner Zukunft stattgegeben.
Bundesweite Sparopfer der Beschäftigten
Da die Erstattungen der Klinikleistungen durch die Krankenkassen keinerlei Zuschüsse für Bau und Instandhaltung vorsehen, hat sich bundesweit seit Anfang der 2000er bei allen Krankenhäusern eine immer größere Unterfinanzierung aufgetan.
Viele Arbeitgeber antworteten mit Tarifflucht und Ausgliederungen, auch die Elbe Kliniken mit Gründung von Tochtergesellschaften ab 2003 sowie dem einseitig vom Arbeitgeber erklärten Tarifaustritt von 2007.
Damit haben letzten Endes die Beschäftigten der meisten bundesdeutschen Kliniken durch unfreiwillige Gehaltseinbußen und/oder Personalabbau die Zeche gezahlt. Das ist nun zu großen Teilen endlich überwunden, es werden
wegen Fachkräftemangel sogar teilweise übertarifliche Bezahlungen angeboten.
Zurück zu den Elbe Kliniken
Angesichts der Aussichten, als 50%-Anteilseigner der Elbe Kliniken in den nächsten Jahren um die 18 Millionen Euro Zuschuss an die Elbe Kliniken aufbringen zu müssen, hat sich die Stadt 2020 gegenüber dem Landkreis erklärt: Man könne diese Finanzmittel nicht aufbringen, die Haushaltslage gebe solche Zuschüsse nicht her.
Die Stadt Stade leiste über die Kreisumlage schon heute rund 32% Anteil am Kreishaushalt, obwohl nur 25% der Patienten aus dem Gebiet der Stadt kommen. Man wolle nicht doppelt, also per Kreisumlage und Zuschüssen zahlen. Der Kreis wurde aufgefordert, nach Lösungen zu suchen und ggf. eine Übernahme der städtischen Beteiligung zu prüfen. Rechtlich gesehen ist der Kreis tatsächlich originär für die Krankenhausversorgung zuständig.
Prüfungsauftrag
Kreis und Stadt haben eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, Unternehmensdaten zu ermitteln und mögliche Lösungsszenarien zu erarbeiten. Das Ergebnis liegt mittlerweile vor und gilt offiziell als nicht-öffentlich. Da aber kurz nach Fertigstellung das Papier auch bei der örtlichen Presse gelandet ist, muss und kann nun über die Inhalte gesprochen werden. Der Wert des Unternehmens wird auf 85 bis 87 Millionen Euro beziffert, jeder Träger hat darin eine Einlage von 5 Millionen Euro.
Mögliche Varianten
Wenn der Landkreis Stade nun die 50% der Stadt Stade übernimmt, muss sie ihre Einlage von 5 Millionen Euro bekommen. Zusätzlich würde bei Übertragung Grunderwerbssteuer in Höhe von 7 Millionen Euro anfallen. Es wären also bereits 12 Millionen Euro bewegt, von denen die Elbe Kliniken noch nichts hätten – immerhin schon ein Drittel der nötigen Investitionsmittel.
Im Aufsichtsrat wäre die Stadt nicht mehr vertreten, damit hätte sie keine Mitbestimmungsrechte mehr. Derzeit braucht es jeweils eine zwei-Drittel-Mehrheit in Stadtrat und Kreistag, um den Gesellschaftervertrag zu ändern. Eine hohe Schutzhürde für Beschäftigte insbesondere bezüglich jeglicher auch in Zukunft liegender Privatisierungsbestrebungen.
Die 7 Millionen Grunderwerbsteuer würden allerdings nicht fällig, wenn die Stadt Minderheitsbeteiligungen halten würde oder Teile des Unternehmens in eine Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) überführt würden.
Austausch verschiedener Standpunkte zwischen Hansestadt Stade und Landkreis Stade
Angebot des Landkreis Stade zum Auftakt der Gespräche
Der Kreis bietet im ersten Aufschlag an, die Anteile zu übernehmen, 5 Millionen Einlage auszuzahlen und die Grunderwerbssteuer von 7 Millionen zu übernehmen. Einzelne Meinungen waren zu hören, die Stadt Stade solle rein gar nichts bekommen. Die Stadt wäre zum 01.01.2022 raus, was sich auch rückwirkend im Laufe des Jahres 2022 regeln ließe.
Vorstellungen der Hansestadt Stade
Die Stadt freut sich zunächst über eine Bereitschaft des Kreises, hat aber abweichende Vorstellungen: Zum einen muss über das Niedersächsische Innenministerium geprüft werden, ob Werte von über 40 Millionen Euro lediglich für 5 Millionen Einlage an den Kreis übergeben werden dürfen.
Zudem sollte eine stille Teilhaberschaft der Stadt von über 10% geprüft werden, da in diesem Falle die 7 Millionen Grunderwerbssteuer nicht anfallen. Alternativ kann die Überführung in eine AöR das Gleiche erreichen.
Zum Schutz vor Privatisierungen soll sich der Kreis zudem verpflichten, im Falle eines möglichen in der Zukunft geplanten Verkaufes die Hälfe der Erlöse (abzüglich alleine vom Kreis getätigter Zuschüsse) dann an die Stadt auszuzahlen. Das ist von Seiten der Stadt ausdrücklich als Schutz vor Spekulationsgewinnen gemeint und soll künftige Privatisierungsbestrebungen unattraktiv machen.
Kompromissangebot durch den Landkreis Stade
Der Kreis ist weniger begeistert von den Wünschen der Stadt und beschließt in seiner Kreistagssitzung vom 12.07.2021, ein Kompromissangebot zu machen. Es werden die Städtischen Anteile übernommen sowie die 5 Millionen Euro Einlage an die Stadt überwiesen.
Zum Schutz vor Privatisierungen will der Kreis in den dann neuen Gesellschaftervertrag die hohe Zustimmungshürde von 75% der anwesenden Kreistagsmitglieder einziehen, wenn künftig Standortänderungen oder (Teil-)verkäufe zu entscheiden wären.
Alle Kreistagsfraktionen erklärten außerdem nachdrücklich, keinerlei Privatisierungsabsichten zu verfolgen. Zudem verpflichtete sich der Landrat, die Möglichkeit einer legalen Vermeidung der 7 Millionen Euro Grunderwerbssteuer z. B. über eine AöR prüfen zu lassen.
Stade nimmt das Angebot zur Kenntnis, bleibt bei einzelnen Punkten standhaft
Die Stadt nimmt die Kreistagsentscheidung am selben Tage zur Kenntnis, bleibt aber bei den Punkten „Überprüfung der Zulässigkeit durch das Innenministerium“ sowie Machbarkeitsprüfung AöR bzw. stille Beteiligung standhaft.
Mit diesem Zwischenergebnis dürfte es mutmaßlich in die politische Sommerpause gehen.
Kai Holm
Sachstand 14.07.2021