Gegenderte Sprache – Mehr als nur Sternchen und Lücken

Sprache ist kein starres Gebilde, sie verändert sich stetig und ist Zeugnis von Fortschritt. Im zweiten Teil ihres Gastbeitrags beschreibt Elena Brückner, wie gegenderte Sprache funktioniert und gibt uns einen Anstoß zur Selbstrefelexion und auch mal etwas (noch) Neues auszuprobieren.

Radfahrer*innen absteigen: Aufkleber an einem Hinweisschild in Kiel (Hörnbrücke)
Radfahrer*innen absteigen: Aufkleber an einem Hinweisschild in Kiel (Hörnbrücke) Bild: Coyote III

Mittlerweile ist das Gendern beinahe allgegenwärtig: Bei Claus Kleber im ZDF heute journal, bei Anne Will, im Radio und auch in einigen Zeitungen wird gendersensibel berichtet. In zahlreiche Stadtverwaltungen hat die geschlechtergerechte Sprache bereits Einzug gehalten. So werden in Hannover seit 2019 vor allem geschlechterumfassende Formulierungen und der „Gender Star“ genutzt um alle in der Landeshauptstadt Lebenden anzusprechen.

Doch wie funktioniert gegenderte Sprache eigentlich?

Meist wird eine Lücke zwischen der männlichen und der weiblichen Form belassen, welche auch mit Satzzeichen gefüllt werden kann und durch eine kurze Pause mitgesprochen wird. Häufig verwendete Schreibweisen:

  • Bürger innen
  • Bürger_innen
  • Bürger.innen
  • Bürger*innen
  • Bürger:innen

Außerdem ist es ebenfalls möglich neutrale Bezeichnungen zu nutzen wie zum Beispiel „in Deutschland Lebende“ oder „Bevölkerung“.

Aktuell sehen wir vor allem Gendersternchen und den Doppelpunkt am meisten. Für ersteres spricht, dass der genutze Asterisk mit seinen „Zacken“, die in alle Richtungen zeigen, stellvertretend für alle Facetten nicht-binärer Personen steht. Allerdings ist diese Art zu Gendern alles andere als barrierefrei. So nutzen sehbehinderte Menschen Screenreader um sich Webseiten vorlesen zu lassen, doch unglücklicherweise wird das Sternchen dabei mit vorgelesen („Bürger Sternchen innen“). Besser ist es hier schon mit dem Doppelpunkt zu arbeiten, dieser wird nämlich nicht vorgelesen, sondern durch eine Pause kenntlich gemacht.

Letztendlich ist es jedem selbst überlassen welche Form genutzt wird und aus welchen Gründen. Neben den oben genannten populären Methoden gibt es aber natürlich auch noch viele andere (wie z.B. Anwendung des Neutrums “Forschex” anstatt Forscher*innen).

Warum polarisiert Gendern?

Der Wunsch nach Gleichberechtigung aller Menschen ist auch ein Symptom des gesellschaftlichen Wandels, im Zuge dessen alte Strukturen in Frage gestellt und auch aufgebrochen werden. Das Weltbild mit dem wir aufgewachsen sind passt nun eventuell nicht mehr mit den Werten und Normen der heutigen Gesellschaft zusammen.

Niemand würde von sich selbst behaupten „geschlechter-ungerecht“, also dem Gegenteil von geschlechtergerecht, zu kommunizieren. Schnell können durch diese Wortwahl Vorwürfe entstehen, wo eigentlich keine gemacht werden. Vielleicht ist es insgesamt sinnvoller von geschlechtersensibler Sprache zu reden, da dieser Begriff weniger wertend ist.

Generell ist Sprache etwas ganz Persönliches und somit auch Emotionales. Sprache ist eine Möglichkeit uns individuell auszudrücken und uns der Umwelt mitzuteilen. Wir haben sie von unseren engsten Bezugspersonen erlernt, deren Botschaften und Weltanschauungen aufgenommen, sie aber auch stetig weiterentwickelt.

Dadurch, dass in den Medien und den sozialen Netzwerken immer mehr gegendert wird, fühlt es sich beinahe so an als würden wir kritisiert und demzufolge drängt sich das Gefühl auf, dass wir von außen „gezwungen“ werden unser eigenes Verhalten zu ändern. Es gibt jedoch bis jetzt keine staatlichen Vorgaben, ob und wie die geschlechtergerechte Sprache klingen oder aussehen soll. Eine Anpassung der Sprache wird also nicht „von oben“ erzwungen, sondern im Gegenteil, die Veränderung der Sprache passiert gerade aus dem Volke heraus. Bewusst wird dabei erst einmal beobachtet welche Möglichkeit sich durchsetzt und somit auch die breite Zustimmung in der Bevölkerung hat. Wir können also gerade bei der Weiterentwicklung unserer Sprache aktiv teilhaben.

Warum denn eigentlich nicht?

Es sei nicht gut zu lesen und das Mitsprechen der so genannten Gender Gap würde die Sprache verschandeln und unnötig kompliziert machen, sagen einige Kritiker. Das mag sich anfangs ganz subjektiv auch genau so anfühlen, denn der Mensch liebt Gewohnheiten und ist Neuem erst einmal skeptisch gegenüber. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass Sprache kein starres Gebilde ist, sich vielmehr stetig verändert und weiterentwickelt. Wie bei vielen anderen Dingen im Leben, ist die geschlechtersensible Sprache einfach eine Frage der Übung und der Gewöhnung. Und zugegebenermaßen anfangs auch einfach eine große Überwindung.

Zum Schluss bleibt mir nur noch zu sagen, dass ich Sie, liebe Lesenden, nicht bekehren oder den moralischen Zeigefinger erheben möchte. Im Gegenteil, ich möchte zur Selbstreflektion ermutigen, zum Nachdenken anregen und vielleicht auch eine respektvolle geführte Diskussion anstoßen. Recherchieren Sie, unterhalten Sie sich mit anderen Menschen über dieses Thema, „diversify your social media“ also folgen Sie gezielt Profilen, die gendergerecht berichten oder sogar von nicht-binären Personen betrieben werden, und vor allem seien Sie mutig und finden Sie Ihren eigenen Weg, wie Sie zukünftig kommunizieren wollen.

 

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Autorin:

Elena Brückner