Der 9. November ist ein ambivalenter Tag für uns Deutsche. Dankbar blicken wir auf den Fall der Mauer 1989 zurück, erinnern uns an die jubelnden Menschen. Blicken wir weiter zurück, ist sicher auch die Ausrufung der Republik ein Grund zur Dankbarkeit – egal wie tragisch sie dann am Ende gescheitert ist.
Doch über dem 9. November schwebt immer der Schatten des Jahres 1938. Die Reichspogromnacht verbindet diesen Tag untrennbar mit den Grauen des Holocaust. 1938 starben hunderte jüdische Mitbürger, tausende wurden in die Konzentrationslager verschleppt. Der 9. November erinnert an das wohl dunkelste Kapitel unserer Geschichte.
Heute gibt es kaum noch Menschen, die uns von dieser schrecklichen Nacht erzählen können. Die Generation der Zeitzeugen ist bald nicht mehr. Ihre Stimme wird fehlen. Das Wissen um unsere Geschichte ist essentiell. Es eröffnet uns den Blick auf das Hier und Jetzt.
Wie leben Jüdinnen und Juden in Deutschland heute? Was sind ihre Ängste? Wie fühlt es sich an, wenn vor dem Kindergarten Polizeischutz stehen muss? Wie kann jüdische Kultur in Deutschland in Zukunft gelebt werden?
Der 9. November sollte uns jedes Jahr wieder zum Nachdenken bewegen. Wir müssen uns Fragen, wie die Traumata von Generation zu Genration wirken – bei Nachfahren von Opfern und Tätern gleichermaßen.
Um keine Schule sollte eine Mauer stehen müssen.
Dafür ist der 9. November uns Mahnung und Auftrag zugleich.